Das Weidenbaum-Interview

Sturm und Stille:
Hallo Lirtes, im Zuge deiner ersten offiziellen Veröffentlichung "Nebellieder und Nachträume" möchte ich mich nun auch einmal erdreisten, dich ein wenig mit Fragen zu löchern. ;)

Mit Informationen über dich und dein Projekt hast du dich auf deiner Webseite stets kurz gehalten, sodass der geneigte Hörer nicht viel über deine Beweggründe, Intentionen und Bestrebungen, die hinter dem Projekt Weidenbaum stehen, in Erfahrung bringen kann.

Lirtes:
Über Beweggründe und Ziele habe ich mir nie großartige Gedanken gemacht, es hat sich einfach so ergeben. Einerseits war es ein kreatives Ventil, in dem ich mich selbst auf verschiedene Arten ausdrücken konnte, andererseits war es die Möglichkeit etwas zu erschaffen, zu formen und mich selbst in vielerlei Hinsicht weiterzubringen. Mein Ziel war es, ein Album (bzw. mehrere Alben) aufzunehmen und zu Ende zu bringen. Über alles andere habe ich mir anfangs nie großartige Gedanken gemacht.


Sturm und Stille:
Weidenbaum bedeutet für dich Komponist, Dichter, Vokalist, Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger und Tontechniker in einer Person zu sein. Wie ist es denn, all diese Dinge allein zu bewerkstelligen? Was sind die Vor- und Nachteile diese Palette an Aufgaben als Einzelperson zu übernehmen?

Lirtes:
Es ist nicht unbedingt einfach. Bei dem letzten Album hat es unglaublich viel Zeit und Energie gekostet, es so zu bewerkstelligen, dass ich damit leben konnte. Der Vorteil ist sicherlich, dass man sich vor niemandem rechtfertigen muss. Man hat keinen Zeitplan und muss sich nicht auf andere verlassen und kann ohne Kompromisse das realisieren, was man wirklich möchte; die Grenzen liegen bei einem selbst. Der größte Nachteil ist sicherlich der immense zeitliche und nervliche Aufwand; die Unsicherheit, ob man sich gerade in etwas verrennt, oder auf dem richtigen Weg ist. Zudem ist es als Einzelperson sehr schwierig, den Zeitpunkt zu erwischen, in dem etwas fertig ist. Zu erkennen, dass man nur auf der Stelle tritt und sich nicht mehr steigert, kann manchmal sehr ernüchternd sein.


Sturm und Stille:
Weidenbaum saugt regelrecht Elemente der unterschiedlichsten Musikrichtungen in sich auf. Sowohl im metallischen, akustischen und auch klassischen Bereich vermutet man die Inspirationsquellen. Welche Musik hat dich in deiner Entwicklung als Musiker geprägt und welche Stücke hörst du zur Zeit besonders gerne?

Lirtes:
Geprägt hat mich sicherlich sehr viel unterschiedliche Musik. Als Jugendlicher hab ich vorwiegend Metal und älteren Rock gehört, nach und nach kamen verschiedene Genres dazu Wichtig ist mir, dass es mich auf irgendeine Weise anspricht, da ist es nahezu egal, mit welchen Mitteln das erreicht wird.
Aktuell läuft Clint Mansell’s Soundtrack zu „The Fountain“ bei mir am Meisten.


Sturm und Stille:
Auch wenn du von verschiedenen Seiten inspiriert bist, kann man nicht leugnen, dass deine Musik im weiteren Sinne noch deutlich in der Tradition des Black Metals steht. Welche Bedeutung hat für dich Black Metal und wie verstehst du seinen Einfluss auf Weidenbaum?

Lirtes:
Dazu kann ich nicht viel sagen, da ich für mich Weidenbaum nicht als Black Metal sehe. Black Metal ist eine Musikart unter vielen, welche mir zusagt. Wie in den meisten Genres gibt es einiges was mir viel bedeutet, aber viel mehr was an mir vorbei geht.


Sturm und Stille:
Nun zu deinem Album. "Nebellieder und Nachträume" ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Werk. Es spielt mit Extremen, wirkt nachtgefärbt und mitreißend und ist definitiv polarisierende Musik. Wie würdest du beschreiben, was du mit dieser Musik vermitteln möchtest?

Lirtes:
Nun ich versuche einfach das Bild, welches ich vor mir habe umzusetzen. Ich will den verschiedenen Facetten und Stimmungen durch Musik, Text und Klanggewand den angemessenen Raum geben und miteinander zu einem Ganzen verschmelzen. In erster Linie muss ich das darin wiederfinden, was ich damit ausdrücken möchte. Was ich anderen damit vermittle ist sekundär und ohnehin bei jedem unterschiedlich, das muss jeder für sich selbst rausfinden.


Sturm und Stille:
Sehr naturinspiriert mutet für mich besonders dein "Nebellied" an, ein suggestives Stück von äußerster Wirkkraft. Woher nimmst du Inspiration für derart komplexe Stücke?

Lirtes:
Von überall und nirgendwo. Es ist schwer, einen intuitiven, langwierigen Prozess in einigen wenigen Worten auszudrücken. Am Anfang steht eine Idee-sei es ein Text, eine Melodie, oder eine abstrakte Struktur-, die nach und nach zu einem Ganzen geformt wird, bis sie schließlich dem Bild in meiner Vorstellung so nah wie nur möglich ist.


Sturm und Stille:
Als Schlussstück deines Albums hast du ein orchestrales Medley komponiert, das die Themen der einzelnen Stücke des Albums zu einer sinfonischen Reise in klassischer Instrumentierung umsetzt. Wie kam dir die Idee für solch eine außergewöhnliche Umsetzung? Beschäftigst du dich viel mit orchestraler Musik?

Lirtes:
Die Idee kam mir 2007 als ich begann mit einigen streicherbasierten Themen zu experimentieren. Als ich im Frühjahr 2008 die Möglichkeit hatte, es in einem angemessenen Rahmen umzusetzen, begann ich mit der Auswahl geeigneter Themen und nach dem ich mich etwas eingearbeitet hatte, ging es recht schnell. Ich höre unter anderem auch Orchestermusik -egal ob klassische Werke oder Soundtracks- und versuche mich ab und zu am Komponieren von orchestraler Musik.


Sturm und Stille:
Zur Veröffentlichung deines Albums hast du in gegenwärtiger Ermangelung eines Labels die Eigenpressung gewählt. Dies war sicher keine leichte Entscheidung. Bist du trotz allem glücklich, diese Option gewählt zu haben?

Lirtes:
Das wird sich herausstellen, bislang würde ich diese Frage eher verneinen, aber wer weiß schon was kommen wird.


Sturm und Stille:
Leider findet man schon seit langer Zeit kaum mehr individuelle und eigensinnige Produktionen auf dem Markt. Die meisten Labels haben sich entschlossen sich immer gleichförmigeren Trends zu beugen; die Musik erscheint in immergleichem Tempo, verliert völlig an Dynamik und kann nur noch selten begeistern und verzaubern. Bist du der Meinung, dass viele Menschen anspruchslos geworden sind, was Musik angeht? Ist Musik vielleicht heute sogar eine Stück weit unbedeutend geworden?

Lirtes:
Ich denke nicht, dass Musik unbedeutend geworden ist. Im Gegenteil, es gibt sicher auch heute genauso viele Menschen, die viel Zeit und Leidenschaft in Musik stecken, wie vor 20 oder 200 Jahren. Es gibt nur einfach eine Flut von Veröffentlichungen, dass es unmöglich ist, auf dem Laufenden zu bleiben. Ohne meine Musik auf eine der zwei Seiten stellen zu wollen: Bei der Übersättigung heutzutage hat es Musik, die den Hörer fordert, einfach schwerer, als auf den Käufer zugeschnittene Unterhaltung, die zwar ein hervorragendes Produkt, aber aus musikalischer Sicht eher belanglos ist.


Sturm und Stille:
Wo wir schon beim Thema Musik sind. Du als Musiker in Leib und Seele hast sicherlich eine sehr sehr innige Beziehung zur Musik. Was bedeutet Musik für dich in deinem Leben?

Lirtes:
- [Anmerkung von Sturm und Stille: Dazu wollte sich der Künstler nicht äußern.]



Sturm und Stille:
Auf deiner Homepage hast du angekündigt, dass du bereits nah an die Fertigstellung eines weiteren Albums angelangt bist. Der Titel lautet "Raue Winde und blasse Schwingen". Was erwartet den Hörer auf diesem neuen Werk?

Lirtes:
Meiner Meinung nach ist es eine konsequente Weiterentwicklung. Textlich und musikalisch wird es sowohl reifer als auch bildhafter werden. Es wird eine ganze Spur eigensinniger und auch deutlich mehr klaren Gesang geben. Ansonsten trifft es die Beschreibung „A fiery melee of hope and despair“ [Anmerkung von Sturm und Stille: „Ein feuriges Wirrwarr/Gemisch aus Hoffnung und Verzweiflung“] nach wie vor am Besten.


Sturm und Stille:
Wir werden in Spannung darauf warten. Vielen Dank für deine Zeit und Mühe!

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www.weidenbaum-metal.de

(saf)