zu Reviews Dornenreich - Durch den Traum

Ich muss zugeben, es hat mehrere Male gedauert, bis ich mich in "Durch den Traum" einhören und einfühlen konnte. Dies war zwar bisher bei allen Dornenreichalben der Fall, was bei deren Mannigfaltigkeit auch nicht verwundert, jedoch verhielt sich "Durch den Traum" da doch um einiges anders als sämtliche vorherige Werke.

Beim ersten Hören verspührte ich erst nur eine drückendklamme Last, die sich von der Musik aus auf mein Gemüt legte, gleich einem finsteren schweren Traum. Es war mir eine Zeit lang nicht möglich der teils bedrückenden Enge dieses Albums entgegen zu lauschen. Doch erkannte ich bereits beim ersten Hören, dass dies nicht alles ist, was unter der Oberfläche dieses Werkes zu finden sein kann. Und bald darauf konnte ich lauschen und befand mich schließlich in einer befremdlichen Traumwelt, schwankend zwischen finsterer Melancholie, Verzweiflung und leisem, angespanntem, erkennendem Horchen. So möchte ich vordergründig ein paar Worte zu der äußeren Gestalt von "Durch den Traum" verlieren:

Es scheinen viele der- einst für Dornenreich charakteristischen- tragenden Melodien durch Valnes' Ausstieg (mit einer Ausnahme: Vgl. Lied II) mit verschwunden zu sein. Jedoch übt sich nun erfreulicherweise Eviga im klaren Gesang, welcher zwar weniger farbig, dafür aber umso markanter und ausdrucksvoller anmutet. Jedoch kann man nicht wirklich von einem Besetzungswechsel sprechen, mehr von dem Verlust eines altbewährten Musikbestandteils und dem Erwerb eines interessanten, neuen "Instrumentes". Durch diese Änderung gelingt es Eviga sein vokales Talent auf voller Bandbreite in die Musik einzuweben: Durch Flüstern, Sprechen, Schreien und Gesang. Im Gitarrenbereich greift Eviga wieder auf die akustischen und leicht angezerrten Klänge Hexenwinds zurück, wodurch man den Eindruck einer Einheit beider Alben gewinnen kann. Auch das Schlagzeug lässt vermuten, dass beide Alben im selben oder ähnlichen Kontext entstanden sein könnten. Nur, bildet "Hexenwind" aus sich heraus dieses Gefühl vom Einklang in sich ruhender Sphären, so scheint "Durch den Traum" die aufgewühlte Unsicherheit, Melancholie und Verzweiflung, Unruhe, Heimlichkeit und Emotionen eines nächtlichen Traumes herauf zu beschwören. Auch lyrisch sind bereits seit "Hexenwind" neue Wege zu erahnen gewesen. Die einst so verwoben mystische Sprache ist einer sehr viel klareren symbolhaften Lyrik gewichen, die vor allem nun in "Durch den Traum" absolut eins mit der musikalischen Sprache geworden ist. Zwar hätte ich mich früher sicherlich an der ein oder anderen Wortwahl gestoßen. Doch da die Worte völlig in der Musik verankert zu sein scheinen, klingt alles doch unerwartet treffend und wahrhaftig. Doch nun zum eigentlichen Inneren des Werkes: Und ganz zart und heimlich leise entführt uns das erste von 8 namenlosen Liedern, einem Einschlummern gleich, mit leisen Saitenklängen, mit gehauchten Worten, in die Tiefe:

Bald werden die Traumbilder deutlicher und der Träumende beginnt sich "von Baum zu Baum immer tiefer in den Traum" zu bewegen und in einen sagenhaften Wald zu gelangen. Das 2. Stück ist besonders durch eine wahnsinnige instrumentale Dynamik und äußerst suggestive Worte geprägt: "Geheimnis"...um dann regelrecht auszubrechen im "Sturz eines Engels und im Sprung eines Wolfs": Ein entfesseltes Hasten und heimliches Schleichen voller farbiger und düsterer Fabelvisionen. Vom leisesten Flüstern bis zum packendsten Schrei findet sich hierin jeder nur mögliche dynamische Moment. Im Refrain kommt noch ein letztes Mal Valnes' tragender Gesang zum Einsatz, was diese über 10-minütige schwermütige Zaubervision zu einer vollkommenen macht... Beschwörend und leicht orientalisch anmutend umfängt uns die erste Melodie des 3. Stückes, durchbrochen von gitarrenlastigen, doomartigen, schwerschleppenden Passagen, welche wieder von filigranen akustischen Gitarrenornamenten überzogen werden; mitunter in leise, dann vollere Melancholie driften und derart fast wieder zu einer teils verzauberten, teils schweren und düsteren Symbiose aus Klängen verschmelzen. Eine Einheit wie "Feuer, Wasser, Erde, Luft". über 12 Minuten lang lastet diese Melange aus schweren Träumen, um fast flehend und verzweifelt in einer extatischen Mischung aus Erkenntnis und Traumwirren zu verhallen. Leise fordernd schleicht das sehr kurze 4. Stück auf uns zu, in klammheimlicher Melancholie und unerwarteter Tiefe. Auch wenn es fast schon zu kurz erscheint, hat mich dieses winzige Stück am aller meisten ergriffen. Es vermochte bei mir einen Schauer von Innigkeit zu erzeugen, wie es bisher nur wenigen Liedern gelungen ist. Kaum zu glauben wie viel Gefühl in einem solch kurzen Lied, nur aus gehauchtem Flüstern und akustischer Gitarre, schlummern kann.

Lastend leer und düster erscheint mir das 5. Lied. Wie eine Suche ohne Finden erscheint mir das erste Gitarren Motiv darin. Einzige Antwort bleiben drei leere orgelähnlich fallende Töne. "Wie lächelt man?" schwebt als Frage im Raum. Ein Anschwellen, Stille. Und wieder einer dieser urtypischen Ausbrüche in erstaunlicher dynamischer Vielfalt. Jedoch scheint sich die Spannung im ganzen Verlauf nie wirklich aufzulösen.

Wie ein Kampf mit dem eigenen Inneren erscheint das 6. Lied, immer schwankend zwischen leichtem Hoffen und innerer Verzweiflung. Ein "Sog und Sehnen in allem" umgibt uns. Ein Kämpfen durch die Unterhölzer weltlicher Widrigkeit erscheinen hier als läuternder Aspekt über einen Menschen mit seinen verschiedenen Seiten, die es im Traum zu bewältigen gilt.
Ein finsteres hallendes Tremolo aus Angst umfängt uns im 7. Lied und wird durch einen Schrei zerrissen. Einem Alptraum gleich scheint sich der Träumende in hartem Klangewand durch seine Seelenqualen in die Freiheit zu schleppen. Dieser Weg wird von sehr monotonen Gitarrenklängen und äußerst statischem Schlagzeug gesäumt. Doch "der Traum führt alles Heim".
Und so gelangen wir zum 8. und letzten Song. Meines Erachtens ist genau dieser letzte Titel im Coverartwork zu finden: "Tag und Nacht", ein ewiger Kreislauf und Einklang eines Ganzen. Sehr ruhend und melancholisch, wieder fast meditativ mutet dieses Stück an, in welchem ich sowohl eine schicksalhafte als tröstende Melodie zu erkennen vermag. Im Hintergrund kann man tief den Puls der Welt erahnen und so streben die Klänge zurück in die Wirklichkeit, einem Erwachen gleich.

Kein einfaches Album, selbst im Vergleich zu den anderen. Aber nichtsdestotrotz ein wirklich bemerkenswertes Werk, welches einmal mehr zum Denken und Fühlen anregt. Doch hört selbst.

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Punkte: 13/15

(saf)